Zum Thema Lkw Unfälle die gute Nachricht zuerst: Obwohl die Transportleistung in Deutschland in den letzten zwei Jahrzehnten um rund 80 Prozent gestiegen ist, hat sich die Zahl der Schwerverletzten im gleichen Zeitraum um ca. 44 Prozent verringert. Die Zahl der tödlichen Unfälle sank sogar um fast 56 Prozent.

Die modernen Assistenzsysteme haben im erheblichen Maße dazu beigetragen, viele der typischen Lkw-Unfälle zu verhindern oder zumindest abzumildern. Nun geht es einen Schritt weiter in Richtung Sicherheit. Denn die immer noch zahlreichen Abbiegeunfälle rücken nun endlich in den Fokus. Immerhin kommen auf Deutschlands Straßen 20 Prozent der innerorts tödlich verunglückten Fußgänger oder Radfahrer in Deutschland bei einer Kollision mit einem Lkw ums Leben. So ist es nicht verwunderlich, dass die Kontaktstellen bei Lkw-Unfällen während des Rechtsabbiegens auf den sensiblen, vorderen Bereich der rechten Fahrzeugseite ausgerichtet sind. Denn an dieser Stelle geschieht bei erheblich mehr als 50 Prozent aller Unfälle die erste Kollision.

Die letzten aussagekräftigen Zahlen stammen aus dem Jahr 2012. Demnach wurden in Deutschland bei Unfällen zwischen Lkw und Radfahrern 71 Menschen getötet und 723 schwer verletzt. Mehrheitlich geschah der Unfall beim Abbiegen. Und natürlich lag –eigentlich wie immer – fast jedes Mal die Schuld beim Lkw-Fahrer.




Wenn Du jemals in einem Lkw-Cockpit gesessen hast, dann weißt Du, über was ich hier schreibe. Du befindest Dich an solchen Stellen in einer dynamischen Situation. Denn die Fußgänger und Radfahrer bewegen sich aus verschiedenen Richtungen und Dein Lkw muss ja auch irgendwann vorwärts rollen. Diese Gesamtlage zutreffend zu überblicken ist wahrlich nicht einfach.

Mittlerweile hat das der Gesetzgeber zumindest dem Grunde nach auch erkannt und eine Reihe von Spielregeln vorgeschrieben.

Sehr schnell lässt sich erkennen, dass offenbar weder Lkw-Fahrer noch Experten an diesen Richtlinien beteiligt waren. Du als Lkw- Fahrer musst nämlich nicht nur zur rechten Zeit in den richtigen Spiegel blicken. Nein, Du musst auch multitaskingfähig sein. Denn Du sollst in der Lage sein, in einer Art „Split-Screen-Blick“ verschiedene Bewegungsabläufe zu einem richtigen Ganzen zusammensetzen. Dabei kommt erschwerend hinzu, dass gerade die Weitwinkelspiegel alle Personen und andere Objekte stark verkleinert und verzerrt wiedergeben.

Lkw abbiegen

Das bedeutet unterm Strich: Selbst Du als umsichtiger Lkw-Fahrer befindest Dich immer in der gefährlichen Situation, wegen fahrlässiger Körperverletzung oder gar Tötung bestraft zu werden. Denn den idealen Fahrer gibt es nach juristischer Auffassung in dieser komplexen Situation gar nicht. Die Einführung eines elektronischen Abbiegeassistenten könnte eine deutliche Verbesserung herbeiführen. Dieser Assistent kann mittels Sensoren Fußgänger und Radfahrer erfassen, die sich unmittelbar vor oder neben dem Fahrzeug befinden. Der Fahrer wird dann im Ernstfall gewarnt. Idealerweise wird der Lkw sogar automatisch gebremst, wenn vom Fahrer keine Reaktion ausgeht. Solche Assistenz-Systeme könnten fast die Hälfte der Abbiegeunfälle mit Fußgängern und Radfahrern vermeiden!

Dennoch stellen sich folgende Fragen: Warum wird dieses fortschrittliche System nicht serienmäßig eingeführt? Bereits vor einigen Jahren hat MAN einen Preis des ADAC für eine solche Entwicklung bekommen. Warum ist diese Entwicklung nicht weiterfolgt worden? Warum ist MAN damit nie in Serie gegangen?





Auch wenn ein LKW inzwischen über vier Spiegel auf der rechten Seite und zwei auf der linken Seite – also sechs insgesamt – verfügt, haben erstaunlicherweise immer noch ein Dutzend Menschen im toten Winkel Platz. Menschen, die der Fahrer beim Abbiegen nicht sieht. Aus diesem Grund werden solche Situationen in den Fahrstunden für angehende Berufskraftfahrer immer wieder geübt. Und immer sind die Fahrschüler erstaunt und entsetzt, dass sie in den Spiegeln kaum Menschen wahrnehmen. Doch das ist ja noch längst nicht alles!

Wir wissen aufgrund unserer Erfahrung, dass ein Blick nicht genügt. Je nach dem Winkel, in dem wir in den Spiegel schauen, sehen wir als Fahrer einen unterschiedlichen Teil der rechten Fahrzeugseite. D.h. wir müssen immer wieder schauen, ob sich nicht irgendwo ein Fahrradfahrer oder Fußgänger bewegt. Und das bindet einen großen Teil der Aufmerksamkeit und Konzentration, der dann woanders möglicherweise wieder fehlt.

Ein Schritt in die richtige Richtung ist da sicher der neue Blind Spot Assist von Mercedes-Benz. Dieser Assist warnt uns als Lkw-Fahrer nicht nur beim Abbiegen vor anderen Verkehrsteilnehmern. Dieses System warnt uns auch vor drohenden Kollisionen mit stationären Hindernissen. Das können zum Beispiel Schildern oder Laternen sein. Darüber hinaus dient das System als Assistent beim Spurwechsel nach rechts – auch bis zur zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

Möglich wird diese Unterstützung durch das Herzstück des Blind Spot Assists. Es handelt sich dabei um eine Radarsensorik auf der Beifahrerseite, die sich vor der Hinterachse des Lkws befindet. Das System ist so ausgerichtet, um die komplette Länge eines Sattel- oder Gliederzugs abzudecken. Der Sensorbereich ist sogar so ausgerichtet, dass zusätzlich zwei Meter vor dem Lkw erfasst werden.
Ich finde, das ist mal eine weitere gelungene technische Weiterentwicklung!

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