Lkw fahren mit Winterreifen? Wieso, was bringt das, welche Vorteil habe ich dadurch? Diese und einige anderen Fragen zum Thema Lkw-Winterreifen stellen sich jedes Jahr neu, so also auch im Jahr 2018. Eine gesetzliche Verpflichtung zum Wechseln von Sommer- auf Winterreifen und umgekehrt gibt es bei den Lastkraftwagen, im Gegensatz zu den Personenkraftwagen, in Deutschland nicht.

Lediglich für die Antriebsachse gibt es zurzeit die gesetzliche Regelung, dass bei Schnee und Eis bedeckten Fahrbahnen das Lkw Fahren nur mit M+S Lkw-Reifen erlaubt ist. Für die übrigen (meistens) vier Achsen ist das Aufziehen dieser speziellen Lkw-Reifen in Deutschland nicht erforderlich. Der Grund dafür ist der, dass für Lkw-Reifen Gummimischungen mit einem sehr hohen Naturkautschukanteil verwendet werden, so dass diese nicht bei Minustemperaturen aushärten.

Dieser Anteil an Naturkautschuk beträgt bei den Lkw-Reifen immerhin bis zu 80 Prozent vom Gesamt-Kautschukanteil. Ein wesentlicher Bestandteil des Naturkautschuks ist Latex, ein durch das Anzapfen spezieller Gummibäume gewonnener Milchsaft. Zu den wichtigsten und größten Produzenten von Naturkautschuk gehört an erster Stelle Thailand, gefolgt von Indonesien und Malaysia.




Da diese Gummimischungen mit denen der Pkw-Winterreifen vergleichbar sind, werden die aus dieser Mischung hergestellten als Ganzjahresreifen angesehen. Die Verarbeitung und die Verwendung solcher druckfester Gummimischungen sind im Berufskraftverkehr aufgrund der hohen Radlasten sowie der entsprechend hohen Druckeinwirkungen auf die Reifen unbedingt erforderlich. Damit ist Naturkautschuk im Vergleich zu den gängigen synthetischen Varianten (z. B. Pkw-Reifen) wesentlich strapazierfähiger.

Die für die Sicherheit und das Vorankommen in der Winterzeit u. a. so wichtige Traktion muss überwiegend über die Profilgestaltung einmal als Stollenprofil, das sind Reifen mit einem größerem Negativanteil im Profil, auf der Antriebsachse erfolgen. Zum anderen werden für die Lkw-Lenkachse zurzeit Längsrillenprofile mit Querlamellen verwendet.

Besonderheit für schwere Nutzfahrzeuge

Die bereits erwähnte Verpflichtung zur Verwendung von M+S Lkw-Reifen auf der Antriebsachse gilt für schwere Nutzfahrzeuge. Damit unterliegen Busse und Lkw der Fahrzeugklassen M2, M3, N2 und N3 dieser Regelung.

Was bedeuten die Fahrzeugklassen M2, M3, N2 und N3?

Die Fahrzeugklassen haben folgende Bedeutung:

  • M2: Für die Personenbeförderung ausgelegte und gebaute Kraftfahrzeuge mit mindestens vier Rädern und mehr als acht Sitzplätzen außer dem Fahrersitz und einer zulässigen Gesamtmasse bis zu 5 Tonnen.
  • M3: Für die Personenbeförderung ausgelegte und gebaute Kraftfahrzeuge mit mindestens vier Rädern und mehr als acht Sitzplätzen außer dem Fahrersitz und einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 5 Tonnen
  • N2: Für die Güterbeförderung ausgelegte und gebaute Kraftfahrzeuge mit mindestens vier Rädern und mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3,5 Tonnen bis zu 12 Tonnen.
  • N3:Für die Güterbeförderung ausgelegte und gebaute Kraftfahrzeuge mit mindestens vier Rädern und mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 12 Tonnen.

Warum bleiben Lkw an Steigungen hängen?

Es sind jedoch nicht allein die M+S Reifen auf der Antriebsachse, die die Fortbewegung sicherstellen! Viel entscheidender dafür ist der Lastverteilungsplan, der vor der Abfahrt erstellt wird. Mithilfe dieses Plans soll eine gute Traktion der Lkw-Reifen ermöglicht werden. Erheblich einfacher wird das Lkw fahren bei winterlichen Verhältnissen mit einer optimalen, zulässigen Achslast auf der Antriebsachse von 11,5 Tonnen Gewicht.

Fehlt dieses Gewicht, wird das Fahren dennoch wesentlich problematischer. Da können die Reifen noch so gut sein und neu sein. Die Belastung dient dazu, dass die Lkw-Reifen viel besser in den Schnee greifen. Das heißt jetzt allerdings nicht, dass wir im Winter die Antriebsachse voll belasten müssen. Es gilt vielmehr einen Abgleich mit dem Lastverteilungsplan vorzunehmen, um das Ladungsgewicht optimal auf die Antriebsachse aufzuteilen und somit die alles entscheidende Bodenhaftung für winterliche Straßenverhältnisse zu erreichen.
Im Sommer hingegen haben wir hier mehr Spielraum. Bei Gigaliner ist allerdings diese Handlungsweise bereits bei regennasser Fahrbahn ein „Muss“!

Angenommen Du fährst einen 40 t Hängerzug und der Motorwagen ist leer, dort befindet sich keine Ladung. Auf deinem Anhänger lastet dahingegen eine rd. 10 Tonnen schwere Ladung.
Laut Gesetz ist das völlig in Ordnung. Das Gesamtgewicht des Anhänger darf das 1,5 fache des Gesamtgewichts des Motorwagens betragen. Dies ist das Limit bei trockener Fahrbahn. Bei winterlichen Straßenverhältnissen fangen hier jedoch die Probleme an. Im Winter wird eine Überschreitung des Limits dazu führen, dass sich bereits das Anfahren auf glatter Fahrbahn mit Schnee oder Eis zu einer Geduldsprobe entwickelt.

Richtig gefährlich wird es in diesem Beispiel dann, wenn Du bei 80 km/h auf eine glatte Fahrbahn triffst. Sehr schnell wirst Du bemerken, dass dein Anhänger deinen Lastzug lenkt. Und das ist sicher so etwas wie der „worst case“.
Ein solches Szenario lässt sich auch für ein Sattelzug aufzeigen. Du positionierst hinten im Auflieger z. B. 20 Tonnen Gewicht genau in der Mitte der meist drei Achsen, so dass deine Antriebsachse im Verhältnis zum Gesamtgewicht kein notwendiges Gewicht abbekommt – dann sind die Katastrophen vorherzusehen.

Du wirst in diesem Fall am Berg mit durchdrehender Antriebsachse hängen bleiben oder dein Sattelzug nimmt nach zügiger Fahrt die gefürchtete „Klappmesser“-Stellung ein.

Dazu gibt es zumindest eine Regelung in der ( StVZo) Straßenverkehrs-Zulassung-Ordnung, die unter Punkt 8 besagt:

„Bei Lastkraftwagen, Sattelkraftfahrzeugen und Lastkraftwagenzügen darf das Gewicht auf der oder den Antriebsachsen im grenzüberschreitenden Verkehr nicht weniger als 25 Prozent des Gesamtgewichts des Fahrzeugs oder der Fahrzeugkombination betragen. „
Quelle: www.verkehrsportal.de

Gibt es Lkw Winterreifen für alle Achsen?

Hier gilt es einen der Situation angepassten Kompromiss zu finden, der den wechselhaften Fahrbahnzuständen bei winterlichem Wetter in Deutschland gerecht wird.

Und ja, einige Lkw Reifenhersteller bieten inzwischen Lkw Winterreifen für alle Achsen an. Das bedeutet gleichzeitig auch, dass der Bremsweg eines Lastzugs so um fünfzig Meter verkürzt werden kann.

Nur ein Beispiel von Continental

Eine Vorreiterrolle in Europa übernimmt Norwegen. Hier wurde die Lkw Winterreifenpflicht für alle Achsen eingeführt.

Hier noch ein wichtiger Link der eine Übersicht für alle Länder zeigt : Übersicht

Die Lkw Reifen Mindestprofiltiefe

Wenn Du international unterwegs bist, wirst du um M+S-Reifen auf der Antriebsachs sowieso nur schlecht herumkommen. In einigen Ländern wie z.B. Österreich sind diese ebenfalls Pflicht. In Fragen des Profils kennt die dortige Gendarmerie weit weniger Pardon als die deutsche Polizei. Dort gelten fünf Millimeter Profiltiefe als Minimum für Fahrzeuge über 3500 kg. Das unterscheidet Österreich von Deutschland und den meisten anderen Länder, wo nur mindestens 1,6 Millimeter vorgeschrieben sind.




Allerdings gibt es in einigen Ländern folgende Ausnahmen für die Winterzeit:
Finnland, Schweden – 3 Millimeter. Winterreifenpflicht besteht vom 1. Dezember bis zum 1. März,
Tschechien – 4 Millimeter. Winterreifenpflicht besteht vom 1. November bis zum 30. April für Fahrzeuge bis zu 3,5 t zGG auf bestimmten Straßen (u.a. Autobahnabschnitte, Bergstraßen; entsprechend Beschilderung).

Wer hat’s erfunden?

Interessant ist es in der Schweiz! Zu der üblichen Profiltiefe von mindestens 1,6 Millimeter gibt es keine Winterreifenpflicht. Was machen also die Schweizer Chauffeure (und auch Du) wenn es schneit? Ganz einfach: Wenn es das Wetter erfordert oder die Beschilderung es vorgibt, sind Schneeketten aufzuziehen.

Fazit: Es lässt sich vortrefflich darüber diskutieren, ob Schneeketten oder M+S Lkw-Reifen die Lösung sind. Drei ganz andere Faktoren entscheiden über die Sicherheit und das Vorankommen eines Lastkraftwagens bei widrigen winterlichen Witterungsverhältnissen: Eine Reifenprofiltiefe von weit mehr als den geforderten 1,6 Millimetern auf allen Achsen, der Lastverteilungsplan und ganz wichtig der richtige Reifenfülldruck.

Lkw-Schneeketten, die Qual der Wahl

Schneeketten aufziehenSchneeketten sind zwar umständlich aufzuziehen, stellen sich im tiefen Winter aber auf jeden Fall als eine sichere, wertvolle Hilfe heraus. In manchen Situationen fehlen nur wenige Meter, um das „rettende Ufer“, also die Fahrbahn für das Weiterkommen, zu erreichen. Lkw-Schneeketten können das Warten auf den Streudienst verhindern. Zumal das Warten zur Überschreitung deiner Schichtzeit führen kann – denn die Zeit im Digitalen-Tachograph läuft immer!

(siehe dazu auch mein Beitrag  Der digitale Tachograph)

Mein Tipp für den Winter:

Das Schneeketten aufziehen muss möglichst gefahrlos der jeweiligen Verkehrssituation angepasst werden! Zur Absicherung dienen: Warnblinker, Warnweste, die Absicherung sowohl nach hinten als auch vorne, ein Warndreieck und (nicht zu vergessen) die Blinklampen.

Mein Tipp für den Sommer:

Anders stellt sich die Situation auf der Autobahn oder einer vielbefahrenen Landstraße dar. Schon ein Reifenwechsel z. B. im Sommer auf dem Standstreifen ist ohne zusätzliche Absicherung lebensgefährlich. Das heißt für dich sowie für alle anderen Verkehrsteilnehmer, dass die Straßenmeisterei oder Polizei unbedingt zum Einsatz kommen muss! Ein herbeigerufener Lkw-Reifendienst kann dies organisieren. Für die Erst-Absicherung und die Info-Weiterleitung an die Polizei bist aber Du verantwortlich.

Nicht zu vergessen: Wir haben hier in Deutschland ein ganz anderes Verkehrsaufkommen als in manchen anderen Ländern – nehmen wir nur unseren Nachbarn die Schweiz oder Skandinavien, insbesondere im Winter.

Winterdienst AutobahnDie einzelnen möglichen winterlichen Situationen beziehen sich natürlich auch auf den Streu-oder Räumdienst. Eine Tatsache ist, dass hier in Deutschland die Straßenmeistereien anscheinend unterschiedliche Arbeitszeiten zum Räumen von Schnee haben. In manchen Gegenden sind schon bei Beginn von Schneefall Streu-Räumfahrzeuge unterwegs. In anderen Regionen kommen diese erst, wenn es bereits zu spät ist.




Dieses Phänomen ist jedes Jahr im Winter erneut ausgerechnet nachts auf den verschiedenen Autobahnabschnitten zu beobachten!Wenn dann morgens der Berufsverkehr einsetzt, verbreiten die Radios-Sender die Meldung: Lkw blockieren die Fahrbahn.

 

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